Gedenkstättenverbund Gäu-Neckar-Alb

Auszeichnung als Botschafter für Demokratie und Toleranz

Das von der Bundesregierung am 23. Mai 2000 gegründete Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt (BfDT) richtet jedes Jahr am 23. Mai den Festakt zur Feier des Grundgesetzes aus und verleiht dort die Auszeichnung „Botschafter für Demokratie und Toleranz".

Diese Ehrung ist eine der wichtigsten Anerkennungen für zivilgesellschaftliches Engagement in Deutschland und wird mit jeweils 5000 Euro pro PreisträgerIn honoriert.

Zu den Ausgezeichneten gehörte in diesem Jahr der Gedenkstättenverbund Gäu-Neckar-Alb.

Die Jury, die über die PreisträgerInnen entschieden hat, war besonders von der Arbeit der Mitgliedsinitiativen des Verbundes mit Jugendlichen beeindruckt. Das Engagement von Jugendguides sei beispielhaft.

Dass der Verbund ein umfangreiches Angebot für Kinder, Schüler und Jugendliche vorweisen kann, wurde ebenfalls lobend hervorgehoben. Als besonders lobenswert wurden auch die Zeitschrift „Gedenkstätten-Rundschau“ angesehen, die im Frühjahr 2018 mit der zwanzigste Nummer erschienen ist.

Ebenso die Personendatenbank des Verbundes, in der Informationen über jüdische Familien der Region gesammelt werden, sowie der Kontakt zu Überlebenden der KZs und deren Familien.
Durch seine Verbindung zu den jüdischen Gemeinden in der Region und durch regelmäßig Veranstaltungen, in denen der Dialog der Religionen gelernt werden kann, werde ein praktischer Beitrag gegen Rassismus, Extremismus und Antisemitismus geleistet.

Als BotschafterInnen für Demokratie und Toleranz wurden dieses Jahr auch ausgezeichnet, der Verein „Pulse of Europe“, der sich für eine Weiterentwicklung der europäischen Zusammenarbeit einsetzt; das Ehepaar Susanna und Markus Nierth aus Tröglitz, das sich mutig gegen Rechtsextremisten stellte, ebenso wie Annalena Schmidt aus Bautzen und Nahid Farshi aus Dortmund, die sich in herausragender Weise für geflohene Menschen einsetzen.

(Presseerklärung Gedenkstättenverbund Gäu-Neckar-Alb)

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BfDT Botschafter für Demokratie und Toleranz 2018: Gedenkstättenverbund Gäu-Neckar-Alb e.V.

(Youtube-Film: bfdt2000, am 31.05.2018 veröffentlicht)

Youtube-Video Gedenkstättenverbund

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Interview zu Botschafter für Toleranz und Demokratie

Aus welchem Anlass wurde der Gedenkstättenverbund Gäu-Neckar-Alb gegründet und wer sind die Initiator*innen?

In der Region am Oberen Neckar gibt es eine ganze Reihe von KZ- und Synagogengedenkstätten. Schon in den Jahren nach 2000 gab es immer wieder Treffen, bei denen sich die Vereine über ihre Arbeit austauschten. Im Jahr 2006 veranstalteten die Synagogengedenkstätten aus der Region eine große Tagung, in der gemeinsam die Forschungsergebnisse über jüdischen Viehhändler zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb einem breiten Publikum vorgestellt wurden. Daraus ist eine Publikation entstanden. Alle Beteiligten machten die Erfahrung, dass man gemeinsam Projekte verwirklichen kann, die eine Gedenkstätte allein nicht stemmen könnte. Daraus entstand der Entschluss, unsere Zusammenarbeit auf eine neue Stufe zu heben. So wurde 2010 der Gedenkstättenverbund Gäu-Neckar-Alb gegründet. Die Gedenkstätten sind die Hauptträger des Verbundes. Es können aber auch Einzelpersonen oder demokratische Institutionen Mitglied im Verbund werden und durch einen finanziellen Beitrag die Arbeit des Verbundes unsterstützen. Gründungsmitglieder des Gedenkstättenverbundes waren die KZ-Gedenkstätten von Bisingen und Eckerwald, die Synagogengedenkstätten in Baisingen, Haigerloch, Hechingen, Rexingen und Rottweil, die Geschichtswerkstatt in Tübingen und die Stauffenberg-Gedenkstätte in Lautlingen. In der Zwischenzeit sind drei weitere Gedenkstätten-Initiativen dazugekommen: der Löwenstein-Forschungsverein in Mössingen, die KZ-Gedenkstätte Hailfingen-Tailfingen und der Verein für ein Lern- und Dokumentationszentrum zum Nationalsozialismus in Tübingen.

Inwiefern kann die Gedenkstättenarbeit präventiv gegen aufkeimende Erscheinungsformen von Rechtsradikalismus und Antisemitismus helfen?

Die Gedenkstätten können Wissen vermitteln, wie die menschenfeindliche Ideologie des Nationalsozialismus gewirkt hat, wie zwischen 1933 bis 1945 Menschen aus rassistischen Gründen, wegen ihrer politischen Einstellung oder ihrer sexuellen Orientierung verfolgt und ermordet wurden. Wir können an lokalen Beispielen zeigen, wie gutes Zusammenleben vor 1933 funktioniert hat, wie durch die NS-Ideologie Nachbarschaften zerstört und Hass gesät wurde.
Auch schon vor dem NS gab es Antisemitismus. Aus altem christlichem Judenhass entwickelte sich im 19. Jahrhundert der rassische Antisemitismus. Bis dann Juden von den Nationalsozialisten für fast alles, was negativ belegt war, verantwortlich erklärt wurden.
Mit Vorträgen, Ausstellungen und Workshops versuchen wir die Freude an der demokratischen Gesellschaft zu stärken. Wir mischen uns in aktuelle Debatten ein. So haben wir während des Reformationsjubiläums an mehreren Orten eine Ausstellung gezeigt, die über den Judenhass bei Martin Luther informierte.
Wir unterstützen den Dialog der Religionen und legen Wert darauf, dass das Wissen über das Judentum vertieft wird. Dazu laden wir jüdische Referent*innen ein.
Die Auseinandersetzung mit aktuellem Antisemitismus und Rassismus ist für unsere Mitgliedsinitiativen von großer Bedeutung. Wir informieren uns gegenseitig über aktuelle Entwicklungen in den lokalen Szenen des Rechtsextremismus und vernetzen uns mit anderen demokratischen Einrichtungen.

Mit welchen Akteuren und Akteurinnen aus Politik und Zivilgesellschaft kooperieren Sie?

Natürliche Partner sind für uns die Schulen in unserer Region. An Orten, wo Jugendgemeinderäte exisitieren, gibt es eine Zusammenarbeit. Mit Kirchengemeinden und Volkshochschulen pflegen wir freundschaftlich den Austausch und organisieren gemeinsame Veranstaltungsformate. Die politischen Vertreter auf Gemeinde-, Kreis-, und Landesebene werden regelmäßig über unsere Arbeit informiert und wenn möglich einbezogen.
Wichtig sind für uns die Beziehungen zu den jüdischen Gemeiden in unserer Region (Stuttgart, Rottweil), mit denen wir freundschaftlich verbunden sind.

Erzählen Sie kurz etwas über Ihre vielfältige Arbeit, Projekte und Aktionen wie beispielsweise das Modell „Jugendguides“.

Der Gedenkstättenverbund hat eine Homepage, in der über die aktuelle Arbeit aller Mitgliedsinitiativen mit einem Veranstaltungskalender informiert wird.
Wir haben ein umfangreiches Angebot für Kinder, Schüler und Jugendliche. Auf unserer Homepage gibt es zu verschiedenen Themen Arbeitsblätter, mit denen sich Lehrer*innen auf einen Gedenkstättenbesuch vorbereiten können.
Ein Schwerpunkt für uns liegt in der Arbeit mit Jugendlichen. Der Gedenkstättenverbund hat mit anderen Partnern das Modell Jugendguides entwickelt. Jugendliche werden grundlegend mit der Arbeit der einzelnen Gedenkstätten bekannt gemacht. Sie erhalten über mehrere Tage eine Einführung in geschichtliche Forschung und arbeiten dann selbständig an den Gedenkstätten, machen bezahlte Aufsichtsdienste bei Ausstellungen und organisieren eigene Veranstaltungen und Führungen.
Wir geben zweimal pro Jahr die Zeitschrift „Gedenkstätten-Rundschau“ heraus, in der wichtige Forschungsergebnisse und Arbeitsberichte veröffentlicht werden.
Wir organisieren in längeren Abständen Tagungen zu verschiedenen Geschichtsthemen unter dem Gesichtpunkt „Lernen aus der Geschichte“.
Wir haben eine Personendatenbank aufgebaut, in der Informationen über jüdische Familien der Region gesammelt werden. Sie enthält heute über 20.000 Personen-Einträge und ist eine wichtige Verbindung zu jüdischen Familien in aller Welt.
Der Kontakt zu Überlebenden der KZs und deren Familien ist ein weiterer Schwerpunkt unserer Mitgliedsinitiativen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Der Besuch demokratischer Lernorte durch Schulklassen sollte ohne Kosten für die einzelne Schule organisiert werden können. Die Anreise zu Gedenkstätten sollte in vollem Umfang aus dem Landeshaushalt finanziert werden.
Projektartiges, längeres Forschen und Lernen zu einem Thema zum Nationalsozialismus bzw. zur Verteidigung demokratischer Gesellschaften sollte fester Bestandteil des Schulunterrichts werden.
Der Jugendaustausch mit Israel sollte entbürokratisiert und stärker finanziell gefördert werden.

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