FriedhofKonzentrationslagerDeportationHistorische Erinnerungsstätte

Deportiertenfriedhof des Internierungslagers Gurs



Anschrift / Kontaktdaten


 Gurs

Telefon: 0033 559 661480
Telefax: 0033 5596626
E-Mail: contagt@campgurs.com

Träger der Einrichtung
Gemeinde Gurs / Commune de Gurs
M le Maire Louis Costemalle
F-64190 Gurs
Tel. 0033 559 661480
Fax 0033 5596626
maire-de-gurs@remove-this.wanadoo.fr

Amicale du Camp de Gurs
Tour Carrère
25 Avenue du Loup
F-6400 Pau
www.campgurs.com
contagt@remove-this.campgurs.com

Kontakt-/Verwaltungsadresse
Stadt Karlsruhe
Hauptamt
Rathaus am Marktplatz
76124 Karlsruhe
www.karlsruhe.de

Öffnungszeiten
Das Gelände ist frei zugänglich. Der Deportiertenfriedhof ist ein jüdischer Friedhof. Männer werden gebeten, eine Kopfbedeckung zu tragen.

Deportiertenfriedhof des Internierungslagers Gurs

Am 22. Oktober 1940 wurden auf Anweisung der Gauleiter alle jüdischen Bürger von Baden und aus der Saarpfalz in das Gebiet der französischen Vichy-Regierung abgeschoben. Diese brachte mehr als 6.500 Männer, Frauen und Kinder in dem Internierungslager Gurs unter. Die Verhältnisse im Lager waren miserabel. Viele Deportierte starben an Entkräftung und Epidemien. Etwa ein Drittel wurde zwischen 1942 bis 1944 in den Vernichtungslagern im Osten ermordet. Das einstige Lagergelände in Gurs ist heute bewaldet. Den Schwerpunkt der Gedenkorte bilden der Deportiertenfriedhof, das Informationsgebäude und der Gedenkpfad mit der rekonstruierten Baracke. Auf dem Friedhof befinden sich 1.070 Gräber, einige von internierten Spanienkämpfern. 1945 wurde ein Denkmal errichtet. Heute geht das Gedenken von offizieller Seite in Frankreich und in Deutschland aus. Die Geschäftsführung der „Arbeitsgemeinschaft zu Unterhalt und Pflege des Deportiertenfriedhofs in Gurs“ liegt bei der Stadt Karlsruhe.

Hintergründe

Frank Weber

Am Morgen des 22. und des 23. Oktober 1940 wurden die jüdischen Einwohner der damaligen Gaue Baden und Saarpfalz nach Frankreich deportiert. Diese bis zum Schluss geheimgehaltene Aktion wurde von den beiden Gauleitern Robert Wagner (Baden) und Josef Bürckel (Saarpfalz) in Gang gesetzt. Offensichtlich war es deren Absicht, sich bei Hitler als besonders eifrige Parteigenossen zu profilieren, denn die Deportation war nicht von der NS-Führung angeordnet worden.
 

Die Deportation

Mehr als 6500 Menschen mussten sich an diesen beiden Tagen, dem Abschluss des heiteren jüdischen Laubhüttenfestes „Sukkoth“ (20. Tishri 5701), in oft weniger als einer Stunde zum Verlassen ihrer Heimat fertigmachen. Mitgenommen werden durften pro Person lediglich fünfzig Kilogramm Gepäck
und nicht mehr als einhundert Reichsmark. Die Juden wurden auf öffentlichen Plätzen gesammelt und dann mit Lastwagen und Bussen zu den Bahnhöfen transportiert. Einige nahmen sich angesichts der drohenden Verschleppung aus Verzweiflung das Leben.
Dies alles geschah unter den Augen der Öffentlichkeit, am helllichten Tag. Die Bevölkerung verhielt sich meist passiv, zum Teil wurde sogar Beifall geklatscht. Nur sehr wenige bekundeten ihre Abscheu über dieses Verbrechen. Im Freiburger Polizeibericht wurde lapidar vermerkt: „Der Abtransport ging in aller Ordnung vor sich.“ Die Gauleiter Wagner und Bürckel meldeten schließlich stolz nach Berlin, ihre Gaue seien nunmehr „judenfrei“.
Die Aktion der beiden Gauleiter war durch das deutsch-französische Waffenstillstandsabkommen nicht gedeckt und erfolgte unter Täuschung der französischen Behörden. Adolf Eichmann deklarierte die aus Personenwagen bestehenden Züge gegenüber einem französischen Bahnbeamten im Grenzbahnhof als „Wehrmachtstransporte“. Damit konnten sie die Grenze passieren. Erst im französischen Mâcon wurde entdeckt, dass es sich bei den Passagieren des Zuges um Juden mit deutscher Staatsbürgerschaft handelte. Die Vichy-Regierung entschloss sich, sie in das teilweise leerstehende Internierungslager Gurs im unbesetzten Teil Frankreichs zu transportieren. Der sofortige französische Protest wurde von den Zuständigen in Berlin über Wochen hinweg hinhaltend behandelt. Schließlich war „unter der Hand der französischen Regierung nahezulegen, sie möge auf der Rücknahme der 6 000 Juden nicht weiter bestehen“, ferner diese „in Lagern zusammenzufassen“ und „bei passender Gelegenheit nach Übersee oder sonst wie abzuschieben“.

Das Lager Gurs

Das Dorf Gurs mit rund 400 Einwohnern befindet sich am Fuße der Pyrenäen im äußersten Südwesten Frankreichs zwischen Pau und Bayonne. Ursprünglich war dort im Frühjahr 1939 ein Internierungslager für Bürgerkriegsflüchtlinge aus Spanien, aber auch für französische Kommunisten errichtet worden. Von September 1939 bis Juni 1940 wurden dort vor allem deutsche Emigranten, darunter viele Juden, festgehalten. Sie galten als „Indésirables“, als „unerwünschte Ausländer“. Unter ihnen befand sich auch die Politologin Hannah Arendt. Sie konnte wie die meisten der Insassen während des Durcheinanders nach dem Waffenstillstand zwischen Deutschland und Frankreich im Juni 1940 aus dem Lager fliehen.
Das etwa drei Quadratkilometer große Lager bestand aus rund 380 primitiven Holzbaracken, in die je fünfzig bis sechzig Menschen gepfercht wurden. Bis zu dreißig Baracken bildeten ein „Ilôt“ („Inselchen), einen „Block“. Diese „Ilôts“ waren wiederum von Stacheldraht umgeben. Männer und Frauen wurden getrennt untergebracht. Bewacht wurde das Lager von Angehörigen der französischen Polizei und der Miliz der Vichy-Regierung.

Das Schicksal der jüdischen Gefangenen

Für die Aufnahme der Juden aus Deutschland waren kaum Vorbereitungen getroffen worden. Es mangelte an allem: Die Baracken waren nicht winterfest, anstelle von Fenstern gab es lediglich hölzerne Lüftungsklappen. Es waren nicht genug Nahrungsmittel und keinerlei Medikamente vorhanden. Eine dünne Suppe und etwas Brot waren das einzige, was es zu essen gab. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln konnte oft nur durch den Schwarzmarkt, den es auch im Lager gab, aufrechterhalten werden. Auch das Wetter machten den Menschen schwer zu schaffen. Strömender Regen verwandelte das Lagergelände in eine Schlammwüste. Katastrophal waren auch die hygienischen Verhältnisse: Krankheiten wie Ruhr, Tuberkulose und Typhus waren an der Tagesordnung. Für die Insassen des Lagers wurde der Tod zum alltäglichen Begleiter. Im Winter 1940/41 starben vor allem durch Hunger und Krankheiten viele ältere Menschen und Kinder. Die insgesamt über 1 000 Toten wurden auf dem außerhalb des Lagers liegenden Friedhof beerdigt.
Die Menschen wurden in ihrem Elend jedoch nicht völlig alleingelassen. Es gab Hilfsorganisationen, die sich um die Internierten kümmerten. Zu nennen sind vor allem die CIMADE (Comité Inter-Mouvements Auprès des Évacués, Hilfswerk der französischen protestantischen Kirche für die evakuierte Bevölkerung), das Schweizer Kinderhilfswerk, die Quäker, die OSE (Oeuvre des Sécours aux Enfants; jüdisches Kinderhilfswerk), die Éclaireurs Israelites Français (jüdische Pfadfinder), die Unitarier (Brüdergemeinde) und das Rote Kreuz.
Im Lager befanden sich auch zahlreiche Künstler, Musiker und Dichter. Sie organisierten kulturelle Veranstaltungen, Konzerte und Lesungen, um die Menschen von ihrem tristen Alltag ein wenig abzulenken. Auch fanden regelmäßig Gottesdienste statt. Besonders in Erinnerung blieb die Pessachfeier im Jahr 1941 mit einer speziell geschriebenen Haggada (Teil des Talmud). Die Verhältnisse im Lager kennt man heute vor allem durch die vielen damals geschriebenen Briefe. Die Inhaftierten verarbeiteten mit ihrem Schreiben das hinter dem Stacheldraht Erlebte und teilten es so der Außenwelt mit.
Auf der Wannsee-Konferenz im Januar 1942 wurde von der NS-Führung die sogenannte „Endlösung der Judenfrage“ organisiert. Alle Juden im deutschen Machtbereich sollten in den Vernichtungslagern im Osten „sonderbehandelt“, sprich ermordet, werden. Im August desselben Jahres rollte bereits der erste Transport mit Insassen des Lagers Gurs über die Zwischenstation Drancy bei Paris nach Auschwitz. Fast 4 000 Juden aus Gurs wurden dort umgebracht.
Nach der Befreiung wurde das Lager Gurs im Dezember 1945 aufgelöst. Zuletzt waren dort noch deutsche Kriegsgefangene und französische Kollaborateure untergebracht worden. Noch im selben Jahr errichtete der Verband der Jüdischen Gemeinschaften der Basses-Pyrénnées ein Denkmal. In den 1950er- Jahren wurden auf dem ehemaligen Lagergelände Bäume und Sträucher angepflanzt. Der Lagerfriedhof, zunächst noch gepflegt, verwilderte jedoch zusehends.

Der Friedhof

„Sind die badischen Juden vergessen?“ – Unter diesem Titel erschien 1957 ein
Artikel in der Badischen Volkszeitung Karlsruhe. Es wurde berichtet, der Friedhof des Lagers Gurs sei dem Verfall preisgegeben, wenn nicht bald etwas geschehe. So unwürdig dürfe man mit dem Andenken an die ehemaligen badischen Staatsbürger nicht umgehen. Der Karlsruher Oberbürgermeister Günther Klotz und der Oberrat der Israeliten Badens ergriffen als erste die Initiative. Das Friedhofsgelände wurde dem Oberrat vom französischen Staat für 99 Jahre übertragen, von 1961 bis 1963 im Auftrag des Oberrats angelegt und eingeweiht. Die Finanzierung hatten alle badischen Städte und Kreise übernommen. Für den weiteren Unterhalt sorgten zunächst die Städte Karlsruhe, Mannheim, Freiburg, Heidelberg und Pforzheim. In den letzten Jahren kamen Konstanz, Weinheim, Emmendingen, Lörrach und Offenburg hinzu. Im Sommer 1999 restaurierte der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge den Friedhof.
Auf dem Friedhof wurden zwei Denkmäler errichtet: Eine Stele im Zentrum des Friedhofs erinnert an die jüdischen Opfer, eine weitere Stele rechts vom Eingang erinnert an die spanischen Opfer und an die Angehörigen der Internationalen Brigaden. Zwischen dem Friedhof und dem Lagergelände wurde 1994 von französischer Seite zusätzlich noch ein „Mémorial national“ (Nationale Gedenkstätte) zur Erinnerung und Mahnung an das vom Vichy-Regime begangene Unrecht errichtet. Der Entwurf stammt von dem israelischen Künstler Dani Caravan. Das Mahnmal besteht aus drei Teilen: Die Konzentrations- und Vernichtungslager der Nationalsozialisten werden durch eine mit Stacheldraht umzäunte Betonplatte symbolisiert. Ein 180 Meter langer Schienenstrang, der allerdings während der Lagerzeit nicht vorhanden war, steht für die Deportation. Schließlich verkörpert das Modell einer Baracke die Gebäude des Lagers.

Die Gedenkfeiern

Jedes Jahr, jeweils am letzten Sonntag im April, laden die badischen Städte zu einer Feier nach Gurs ein. An diesem Sonntag wird in Frankreich die „Journée de la Deportation“ (Gedenktag an die Deportation) begangen. In Baden wird jedes Jahr im Oktober und November in zahlreichen Städten und Gemeinden mit den unterschiedlichsten Veranstaltungen an die Deportation vom Oktober 1940 erinnert. Seit dem Jahr 2000 ist man dazu übergegangen, jeden fünften Jahrestag im Oktober in Gurs zu begehen.

Internationale Jugendbegegnungen

Das Gelände des Lagers Gurs war bis 1996 fast vollständig mit Bäumen und Sträuchern zugewachsen. Nur die zwei Kilometer lange asphaltierte Lagerstraße war noch zu sehen. Seither fanden immer wieder deutsch-französische Jugendworkcamps vom Stadtjugendausschuss Karlsruhe, dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend und dem Stadtjugendring Mannheim statt. Dabei wurden Teile des überwucherten Lagergeländes freigelegt und Informationstafeln für Besucher des Lagers aufgestellt. Im Rahmen der Workcamps wurden auch die Grabsteine gereinigt, der Gedenkraum restauriert und die Bepflanzung gepflegt. Besonders wichtig war der vorgenommene Abgleich der vorliegenden Namensliste der Opfer mit den Namen auf den Grabsteinen. Maßgeblich an allen Gedenkfeiern und Initiativen waren der Bürgermeisters von Gurs, Louis Costemalle, wie auch der inzwischen verstorbene Pfarrer von Gurs, Jean Langla, beteiligt. Ein Überlebender des Lagers, Oskar Althausen (1919–2001), hat sich als Beauftragter des Oberrates der Israeltischen Kultusgemeinde Baden und als stellvertretender Vorsitzender der „Amicale de Gurs“ sein ganzes Leben lang der Erinnerungsarbeit angenommen. Im Haus der Geschichte Baden-Württemberg ist ihm eine eigene Dokumentation gewidmet, als beispielhafte und beispielgebende deutsche Biografie des 20. Jahrhunderts. Lange Jahre war ein „Ort der Information“ für Besucher im Gespräch. Mit Unterstützungszusagen der Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und Baden- Württemberg erfolgte die Grundsteinlegung bei der Gedenkfeier am 23. Oktober 2005. Die Landesregierung wurde dabei durch den Regierungspräsidenten von Karlruhe, Dr. Rudolf Kühner, vertreten.

Frank Weber M. A., geboren 1969, studierte in Tübingen Neuere Geschichte und Geografie. Er ist derzeit bei einem Marketing-Unternehmen beschäftigt.


 

Weitere Informationen

Publikationen

  • „Ich weiß nicht, ob wir nochmals schreiben können.“ Die Deportation der badischen und saarpfälzer Juden in das Internierungslager Gurs in den Pyrenäen, LpB, Stuttgart 2010.
  • Hanna Meyer-Moses: Reise in die Vergangenheit. Eine Überlebende des Lagers Gurs erinnert sich an die Verfolgung während der NS-Diktatur, Ubstadt-Weiher 2009.
  • Paul Niedermann: Briefe – Gurs – Lettres, Erinnerungen –Mémoires (d/f), hrsg. v. Stadtarchiv Karlsruhe, 2011.
  • Geschichte und Erinnerungskultur. 22. Oktober 1940 - Die Deportation der badischen und saarpfälzischen Juden in das Lager Gurs. Hrsg. vom Stadtarchiv Karlsruhe durch Ernst Otto Bräunche und Volker Steck, Karlsruhe 2010.
  • Uri R. Kaufmann.: Kleine Geschichte der Juden in Baden, Karlsruhe 2007.



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